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3 Sterne

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Hach ja, die Waschmaschine lief, der Geschirrspüler war eingeräumt, und gerade hatte ich Luis, unseren Jüngsten, für sein Mittagsschläfchen hingelegt. Eigentlich hatte ich mir jetzt eine Stunde mit meinem Krimi redlich verdient.

Die älteren Kinder hatten sich ins Kinderzimmer verzogen. 4 an der Zahl, weil zu meinen eigenen auch noch die beiden Nachbarskinder kamen, die ich heute in meine Obhut genommen hatte, damit meine Freundin und Nachbarin Claudia endlich mal wieder in Ruhe zum Friseur und anschließend einkaufen gehen konnte. Wir praktizieren diese Art der Nachbarschaftshilfe regelmäßig und teilen auch ab und zu einen Babysitter, wenn wir Eltern gleichzeitig etwas vorhaben oder etwas gemeinsam unternehmen wollen.


 

Erst vor ein paar Tagen waren wir zusammen im Kino gewesen und vorgestern war es eine Einladung, die den Babysitter in Aktion treten ließ. Klappte meistens ganz gut, unsere Babysitterin hat Erfahrung und gute Nerven.

Im Kinderzimmer war es erfreulicherweise ruhig, so dass ich mich in das spannende Geschehen rund um eine Serie von Ritualmorden in Maine vertiefen konnte. „Mama, kann ich mal die Schere?“ „Mama, kann ich bitte mal die Schere haben“, verbesserte ich automatisch, vergaß allerdings zu fragen, was Julian, mein Ältester wohl damit vorhatte. Nicht, dass ich ihm mit seinen 8 Jahren nicht zugetraut hätte, mit einer Schere umzugehen, aber erfahrungsgemäß war es oft nichts allzu Konstruktives.

Mama, wo ist Tobi?“ Das war Sophie, meine 5-jährige, die man erstaunlicherweise anstandslos mitspielen ließ. Das war nicht immer der Fall. Julian und Lea und Finn, die beiden 7-jährigen Zwillinge von nebenan, fanden oft, dass Sophie zu klein für ihre Spiele war. Tobi, der Familienhund, lag friedlich in seinem Körbchen im Flur, wurde aber mit dem Versprechen auf ein Leckerli ins Kinderzimmer gelockt. 15 kostbare Minuten verstrichen, ohne dass mich jemand ansprach.

Ich war gerade an einer besonders spannenden Stelle angelangt, da kam Julian erneut aus dem Kinderzimmer, Finn im Schlepptau: „Dürfen wir die Fische füttern?“ Das war nicht ungewöhnlich, die beiden fanden es interessant, die Stachelaale zu füttern, zumal diese Lebendfutter in Form von Regenwürmern bekamen. „Ja, aber denkt dran: jeder Aal nur einen Wurm!“ Weil das Buch so spannend war, fiel mir weder auf, wie schnell die beiden zurück kamen, noch sah ich die kleine Tupperdose, die Julian bei sich hatte.

Mir wurden 10 weitere ungestörte Minuten zuteil, dann ertönte Protestgeschrei aus dem Kinderzimmer: „Ihr seid gemein! Ich heiße Sophie, nicht Sophia, das ist ein doofer Name, und die Jungenprüfung ist ein ganz doofes Spiel!“ Ich wartete ab, weil sich Sophies Entrüstung oft recht schnell legte, sobald Lea ihr gut zusprach, das schien auch diesmal zu klappen, denn Sophie beruhigte sich wieder. Mit der Ruhe war es aber endgültig vorbei, als Lea heulend aus dem Zimmer kam. „Die Jungs sind soooo fies“, schniefte sie „die haben gesagt, ich krieg Kasalla, wenn ich nicht 4 Sterne schaffe. Aber ich hab nur 3, der Wurm ist so eklig.....“ Ich ahnte Böses. Wurm, Kasalla, Sterne, das alles sagte mir was, aber eigentlich dürfte es den Kindern nichts sagen, denn zur Dschungelcamp-Zeit lagen die Kinder doch längst im Bett.

Ich betrat das abgedunkelte Kinderzimmer, wo Julian und Finn gerade dabei waren, Sophie anzufeuern, die, ausgestattet mit einer Taucherbrille und einer Taschenlampe, hinter Tobi herkroch, um ihm die 2 Sterne abzuknoten, die ihm jemand am Schwanz befestigt hatte. Ich machte das Licht an. Die offene Tür des Hamsterkäfigs und die auf dem Boden verstreute Streu ließen darauf schließen, dass sich im Käfig wohl ein weiterer Stern befunden hatte. Ich hoffte inständig, dass Paulchen, der Hamster, in seinem Häuschen schlief und nicht etwa als Rattenersatz durch das Zimmer wuselte. Dankbar war ich in dem Moment nur dafür, dass ich meinem Mann das Terrarium ausgeredet hatte, das er nur allzu gerne gehabt hätte. Schlangen oder Vogelspinnen außerhalb ihres Geheges blieben uns daher erspart. Teil 3 der Prüfung bestand stattdessen aus einem leeren Rotkohlglas. Nun ja, fast leer. Ein halbtoter Marienkäfer, zwei Silberfischchen und eine fette Spinne bewachten den gelben Stern, den man, wie sich unschwer erkennen ließ, aus dem Einband der „Gelben Seiten“ ausgeschnitten hatte.

Auf dem Schreibtisch standen einige Behälter mit zweifelhaftem Inhalt und gaben Anlass zu der Annahme, dass dort wohl die Essprüfung stattgefunden hatte. Auf einem Tellerchen lag ein Stück von der gebratenen Leber, die ich zu Ragout verarbeiten wollte. Ein kleines Schnapsglas daneben sah aus, als habe man ein Würfelchen Frostfutter darin aufgelöst. Rote Mückenlarven, das Futter der Aale, wenn die Würmer knapp wurden. In einem Schälchen daneben befand sich eine Substanz, die an Tobis Dosenfutter erinnerte und vermutlich sogar Tobis Dosenfutter WAR. Und dann war da noch die Tupperdose mit den beiden Würmern. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Sollte ich schimpfen? Musste ich nicht sogar schimpfen? Luis, der sich genau diesen Moment aussuchte, um aus seinem Mittagsschlaf aufzuwachen, verschaffte mir die nötige Zeit zum Nachdenken. Zwei unterschiedliche Prüfungen. Das konnte nur bedeuten, dass die Kinder zwei unterschiedliche Sendungen gesehen hatten. Der Kinobesuch und die Einladung.....

Ich habe am Ende nicht geschimpft. Schließlich hatten die Kinder ja nur etwas nachgespielt, was in wesentlich krasserer Form alljährlich von Erwachsenen als Unterhaltungsshow zelebriert wird. Ich denke aber, die 4 haben begriffen, dass nicht alles, was man im Fernsehen sieht, auch nachahmenswert ist. Lea zumindest meinte, das Hundefutter sei im Geschmack ok gewesen, aber die Leber und der Larven-Shake ziemlich widerlich.

Als ich das nächste Mal ins Kinderzimmer kam, spielten alle 4 friedlich „Biene Maja“, was zwar auch vom Fernsehen beeinflusst worden war, aber zumindest von einer kindgerechten Serie.

 

Vermutlich stammte diese Idee von Sophie, die eigentlich alles, was krabbelt, von klein auf ganz toll findet. Und vermutlich hatten die Jungs großzügig beschlossen, mitzuspielen, weil sie das schlechte Gewissen quälte. Der arme Marienkäfer im Rotkohlglas hatte nämlich anders als die Silberfische und die Spinne die Dschungelprüfung nicht überlebt.

Besonders Marienkäfer haben es meiner Kleinen angetan, weshalb ihre Ecke des Zimmers auch entsprechend dekoriert ist.

 

Doch selbst Sophie meinte, sie wäre doch sehr froh, dass man sie nicht mit „Kacka-Laken“ überschüttet habe, weil wir keine im Haus haben. „Mama“, wollte sie dann wissen, „was ist eigentlich Kasalla?“

Tja, das wusste ich auch nicht genau und musste Google befragen. Kasalla, so fand ich heraus, kann alles Mögliche bedeuten, man kann Prügel damit androhen, es kann für „auf den Putz hauen“ stehen, für Krawall oder für Ärger.

Das passt mir gut, denn so habe ich einen guten Einstieg für das Kündigungs-Gespräch mit der Babysitterin. Ich wette, die Erwähnung des Wortes genügt, und sie erstattet von sich aus ihr Honorar für die letzten beiden Abende. In diesem Sinne: Kasalla!


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